Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Eine technische Meisterleistung war der Bau des „Eurostar“-Eisenbahntunnels unter dem Ärmelkanal hindurch. Die Konstruktion dieses 50 Kilometer langen, oft „Chunnel“ genannten Bauwerkes dauerte von 1988 bis 1994 und realisierte eine Vision, die es bereits seit dem 19. Jahrhundert gab und die immer wieder gescheitert war. Hinsichtlich seiner finanziellen Rentabilität hat sich dieses Bauwerk freilich als sehr problematisch erwiesen! Zu den großen Bauten der Gegenwart zählen mehrere riesige Tunnel, die im Rahmen des Gotthard-Basistunnel-Projektes durch die Alpen gebohrt werden, um die vorhandenen Tunnel und Straßen zu entlasten. Frühestens 2016 sollen sie dem Verkehr übergeben werden. In Kuala Lumpur, der Hauptstadt Malaysias, wurde wiederum vor wenigen Jahren der 9,7 Kilometer lange „SMART“-Tunnel eröffnet, der gleichzeitig als Autotunnel und als Entwässerungstunnel der immer wieder von Überflutungen heimgesuchten Metropole verwendet werden kann. Das nächste europäische Großprojekt wird voraussichtlich der für den Fehmarnbelt geplante Tunnel sein, der Dänemark und Deutschland miteinander verbinden soll – mit einer Länge von etwa 18 Kilometern.
Ein anderes Aufsehen erregendes Vorhaben ist der Bau eines anderthalb Kilometer langen Eisenbahntunnels unter dem Bosporus ... in einer hochgradig erdbebengefährdeten Zone. Bei der Arbeit gibt es immer wieder spektakuläre archäologische Funde zu vermelden. Sehr umstritten ist wiederum das größte gegenwärtige deutsche Infrastrukturprojekt, der Bau des Bahnhofes „Stuttgart 21“. Dabei wird der Hauptbahnhof der Stadt praktisch unter die Erde verlegt. Kritiker bemängeln, dass es sich um ein überdimensioniertes, überteuertes Projekt handelt, das zudem für Engpässe im örtlichen Schienennetz sorgen wird.
Die hochmoderne Technik, die bei solchen Großprojekten eingesetzt wird, ändert nichts daran, dass diese Arbeit nach wie vor schwierig ist, immer wieder unerwartete Probleme aufwirft und mit einem gesundheitlichen Risiko für die Arbeiter verbunden ist. Auch im 21. Jahrhundert ist die Arbeit im Untergrund nach wie vor ein gefährliches Vorhaben. Das wird vor allem in Ländern deutlich, die nur begrenzt oder gar nicht über moderne Technik verfügen. So hört man zum Beispiel mit erschreckender Regelmäßigkeit von großen Unfällen in Chinas Bergwerken, die zahllose Menschenleben fordern: So tötete eine Explosion im Jahre 2004 ganze 166 Bergarbeiter; allein 2008 starben laut offiziellen Angaben 3 200 Kumpel in chinesischen Bergwerken. 2007 kamen 100 Bergleute bei einem Grubenunglück in der Ukraine ums Leben. Und 2010 mussten in Chile 33 eingeschlossene Bergarbeiter aus einer Tiefe von über 600 Metern gerettet werden. Darüber hinaus gibt es zahlreiche Unfälle, bei denen „nur“ 20, 30 oder 40 Menschen sterben – sie werden von unseren Medien kaum zur Kenntnis genommen.
In städtischen Gemeinden lassen sich momentan neue, interessante Entwicklungen beobachten. So sind zum Beispiel in mehreren Ländern Systeme installiert worden, die Energie aus der Kanalisation gewinnen. Im Winter kann man die relativ hohe Temperatur des Abwassers zum Beispiel für die Beheizung von Gebäuden nutzen, im Sommer wiederum zur Kühlung. Eine andere Neuigkeit stellt die Entwicklung der japanischen „G-Cans“ dar, die zum Beispiel in der Stadt Saitama vor wenigen Jahren in Betrieb genommen wurden. Diese riesigen, miteinander verbundenen Wasserbecken sollen Überschwemmungen während der Regenzeit verhindern.
Seit der Jahrtausendwende hat der Untergrund eine ökologische Dimension bekommen: Erste Versuche werden unternommen, das in Kohlekraftwerken entstehende Kohlendioxid unterirdisch zu speichern. So soll die globale Erwärmung verlangsamt werden. Diese Technik wird momentan in mehreren Ländern erprobt. Kritiker bemängeln jedoch, dass das Ziel einer vernünftigen Politik die Reduktion der Kohlendioxid-Emissionen sein sollte, nicht aber die „Zwischenlagerung“ des Gases. Unwillkürlich fühlt man sich an die unterirdischen Strahlenmüll-Deponien erinnert. Hinzu kommt, dass noch nicht genau bekannt ist, wie das Kohlendioxid unter der Erde mit dem Gestein und anderen Gasen reagieren könnte – und welche Konsequenzen sich möglicherweise für das Grundwasser ergeben. Widerstand gegen dieses Verfahren regt sich mittlerweile zum Beispiel in Deutschland auf mehreren Ebenen.
Positiver zu betrachten sind die zunehmenden Versuche, Erdwärme (Geothermie) zu erschließen. 2003 ging im mecklenburgischen Neustadt-Glewe ein erstes deutsches Erdwärmekraftwerk ans Netz. Heutzutage gibt es hierzulande vier dieser Kraftwerke. Es wird aber noch lange dauern, bis diese Technik ausgereift und rentabel ist. Hinzu kommt, dass die Geothermie größere Erdbewegungen hervorrufen und deswegen in der Nähe von Siedlungen ein Risiko darstellen kann. In Deutschland sind die geologischen Bedingungen ohnehin problematisch, während in den Niederlanden und Teilen Italiens Erdwärme leichter zugänglich und ihre Förderung somit weiter vorangeschritten ist. Als Hoffnungsträger der Geothermie wird momentan ein neues, vom Geoforschungszentrum Potsdam (GFZ) entwickeltes Bohrsystem angesehen. Ein anderes interessantes Konzept stellen die „Druckluftspeicher-Kraftwerke“ dar: In unterirdischen Kavernen soll Energie gespeichert werden, indem Luft mit hohem Druck in die Hohlräume gepresst wird. Im Falle einer Energieschwankung kann diese Druckluft Turbinen antreiben und so den Engpass überbrücken. Bei Bremen wurde solch eine Anlage bereits 1978 gebaut, eine weitere steht in den USA. Es ist davon auszugehen, dass diese Technik weitere Verbreitung finden wird, da sie sich zum Beispiel gut eignet, um durch Flauten entstehende Einbrüche bei der Windenergie zu kompensieren.
Eine neue Bedrohung industrialisierter Gesellschaften hat sich aus der Anfälligkeit der unterirdischen Infrastruktur für terroristische Anschläge ergeben. 1995 wurden bei dem Giftgas-Anschlag einer fanatischen Sekte auf die U-Bahn Tokios 12 Menschen getötet, weitere 5 000 mussten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. In Frankreich wiederum kam es zu Bombenanschlägen islamischer Fundamentalisten auf U-Bahnstationen. Ähnliche Angriffe wurden auch in Russland durchgeführt – wie zum Beispiel die verheerenden Bombenanschläge vom März 2010. Die große Anzahl von Menschen innerhalb dieser Systeme während der Stoßzeiten sowie die Tatsache, dass Rettungsmaßnahmen sich unter der Erde schwierig gestalten, potenzieren die Wirkung solcher Anschläge erheblich. In diesem Zusammenhang wurde auch bekannt, dass derartige Angriffe – eventuell mit chemischen oder radiologischen Waffen – von islamischen Extremisten in Großbritannien diskutiert wurden. Weitere mögliche Szenarien sind zum Beispiel Autobomben in Verkehrstunneln oder der Versuch, die Wasserversorgung zu vergiften. Der Schutz der unterirdischen Infrastruktur erfordert einen großen Aufwand, vollständige Sicherheit kann dabei nie gewährleist werden. In Washington sollen U-Bahnstationen bereits mit Detektoren ausgerüstet sein, die ABC-Kampfstoffe aufspüren können.
Auch in der „normalen“ Kriegsführung spielt der Untergrund immer noch eine Rolle. Dabei geht es primär um den Bau von Tunneln. Sie werden von denjenigen angelegt, die ihren Gegnern militärisch unterlegen sind und somit zeitweilig unsichtbar bleiben müssen. Um ein paar Beispiele zu nennen: Die belagerte Stadt Sarajewo wurde während des bosnischen Bürgerkrieges durch einen Tunnel mit Nachschub versorgt. Im israelisch besetzten Gazastreifen werden immer wieder Tunnel gegraben, um Güter aus Ägypten in das Gebiet zu schmuggeln – 2009 sollen es etwa 400 Stück gewesen sein. Durch eine unterirdische, von Ägypten gebaute Barriere sollen diese Aktivitäten nun unterbunden werden. Im Jahre 2004 wurde ein israelischer Armeeposten durch einen großen Sprengsatz zerstört, den palästinensische Extremisten in einem Tunnel unter dem Bauwerk gezündet hatten. Bei diesem Anschlag starben fünf Soldaten. 2006 töteten plötzlich aus einem Tunnel auftauchende Palästinenser zwei israelische Soldaten und entführten einen dritten. Im pakistanischen Grenzgebiet zu Afghanistan gruben islamische Fundamentalisten Tunnel, die es eingeschlossenen Kämpfern erlaubten, angreifenden Regierungstruppen zu entkommen. Und die Aufständischen in der irakischen Stadt Falludscha gruben mehrere Tunnel, um sich während der Kämpfe im Jahre 2004 vor amerikanischen Truppen zu verbergen und sie aus dem Hinterhalt anzugreifen.
Seit den neunziger Jahren erfreut sich der Untergrund übrigens zunehmender touristischer Beliebtheit. Während natürliche Höhlen schon seit Jahrhunderten als Sehenswürdigkeiten geschätzt werden, schießen nun auch „Erlebnisbergwerke“ wie Pilze aus dem Boden. Zugleich werden in vielen Städten Luftschutzbunker des Zweiten Weltkrieges und des Kalten Krieges zur Besichtigung freigegeben. Auch alte Gewölbe und Gänge aus dem Mittelalter werden touristisch erschlossen. Damit hat der Untergrund einen Anschluss an die gegenwärtige Event-Kultur bekommen: Vergnügungssüchtige Großstädter, historisch Interessierte, Denkmalschützer und schwarze Seelen bewegen sich neugierig durch die stillgelegten Untergründe. Zu den „Top Ten“ der weltweiten Untergrund-Touristik gehören die römischen Katakomben, die mit den Knochen geräumter Friedhöfe gefüllten ehemaligen Steinbrüche in Paris, die Bilderhöhlen in Frankreich und Spanien, die Londoner „Cabinet War Rooms“, die ägyptischen Grabkammern, die unterirdischen Städte Kappadokiens, das polnische Salzbergwerk Wieliczka, das Vietcong-Tunnelsystem in Vietnam sowie diverse, über Europa verstreute Bunkeranlagen.
Jenseits des touristischen Mainstreams hat sich seit den 1980ern auch die in den USA entstandene „Urban Exploration“-Bewegung ausgebreitet, deren Anhänger „verlassene Orte“ aufsuchen. Diese häufig unter der Erde liegenden Bauwerke zeichnen sich oft durch eine hohe historische Aussagekraft aus, gelegentlich sind sogar schon „Ruinen der Globalisierung“ dabei. Zugleich ist bei dieser Bewegung aber das Problem, dass sie zu einer unreflektierten Ruinen-Romantik tendiert und ihre Mitglieder mitunter keine Hemmungen haben, in Bauwerke einzubrechen und dort Gegenstände zu entwenden (auch wenn professionelle Urban Explorers sich von solchen Vorgehensweisen distanzieren).
Seit den neunziger Jahren ist die politische Dimension des Untergrundes immer wieder in den Vordergrund gerückt: So wurden zum Beispiel in Berlin in den neunziger Jahren unter dem vormaligen „Todesstreifen“ der Berliner Mauer zwischen Brandenburger Tor und Potsdamer Platz vier Bunkeranlagen aus der Zeit des Nationalsozialismus gefunden. Die Debatte um den Umgang mit diesen Bauten sollte ein ganzes Jahrzehnt andauern. In Spanien rief das Bestreben der Nachkommen der Opfer des Franco-Regimes, die alten Massengräber zu öffnen, innerhalb der letzten Jahre innenpolitische Auseinandersetzungen hervor. In Slowenien wurden 2009 mehrere Massengräber gefunden, die eine Diskussion über die Verbrechen von Titos Partisanen entfachten. Und in Israel bzw. den israelisch besetzten Gebieten können archäologische Grabungen und die Deutung ihrer Ergebnisse mitunter zu gewalttätigen Auseinandersetzungen führen. Die Stadt Hamburg wiederum erlebte einen politischen Eklat, als die Überbauung des von den Nazis zerstörten jüdischen Friedhofes in Ottensen Proteste hervorrief.
Darüber hinaus haben die ökonomischen Umwälzungen im ehemaligen Ostblock neue Einblicke in die Vorkriegszeit ermöglicht: In mehreren westpolnischen Stadtzentren ist man bei Bauarbeiten auf die unterirdischen Reste der deutschen Häuser gestoßen, die bei den schweren Kämpfen 1945 zerstört wurden. In der Nachkriegszeit hatte man diese innerstädtischen Flächen oft planiert und völlig neu bebaut – vielleicht auch mit der unterschwelligen Absicht, die deutsche Vergangenheit dieser Städte auszulöschen. Dort, wo neue Einkaufszentren oder Bürohäuser entstehen, sieht man nun in den Baugruben oft alte Kellerreste – so zum Beispiel in Stettin oder Stargard. In Küstrin wurde das zerstörte Stadtzentrum nach 1945 nicht wieder aufgebaut. Durch in den neunziger Jahren eingeleitete Grabungen ist dort ein „Mini-Pompeji“ entstanden. Eine ganz andere Perspektive hat sich wiederum in den ehemaligen NS-Konzentrationslagern eröffnet: Die Modernisierung der Gedenkstätten forderte oft zahlreiche Gegenstände zutage, die an das Grauen der KZs erinnern – so entstand das Genre der „KZ-Archäologie“.