Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
An dieser Stelle soll über zwei unterirdische Orte berichtet werden, die in der polnischen Hauptstadt an die deutsche Besatzungszeit erinnern. Die Jahre 1939 bis 1944 waren für die Polen ein einziger Albtraum: Von Anfang an setzten SS, Gestapo und spezielle Polizei-Einheiten den Plan der Ausrottung der polnischen Elite und der jüdischen Bevölkerung konsequent um. Die als Reaktion auf diesen Terror entstehende Widerstandsbewegung wurde mit größter Grausamkeit unterdrückt.
1943 gab es dann eine Rebellion im Warschauer Ghetto, das „liquidiert“ werden sollte. Die verzweifelten, kaum bewaffneten Aufständischen hatten eigentlich keine Chance, hielten sich aber ganze vier Wochen lang gegen eine erdrückende Übermacht (versprengte Kämpfer griffen sogar noch Monate später deutsche Einheiten an). Diese Leistung wurde vor allem dadurch ermöglicht, dass die Aufständischen in der Kanalisation des Ghettos heimlich Bunker und Depots angelegt hatten und die Tunnel auch als Verbindungs- und Fluchtwege nutzten.
Im folgenden Jahr erhob sich die ganze Stadt gegen die Nazis. Man wollte Warschau vor der Ankunft sowjetischer Truppen eigenhändig von den Deutschen befreien. Dahinter steckte letzten Endes ein der Versuch, die Unabhängigkeit und den Stolz Polens zu retten. Nach schweren, 63 Tage andauernden Kämpfen brach der Aufstand zusammen. Stalin wiederum, dessen Truppen sich in unmittelbarer Nähe befanden, schaute in Ruhe zu. Die Nazis deportierten die verbliebene Bevölkerung Warschaus in Durchgangslager und von dort aus die in KZs oder zur Zwangsarbeit. Die entvölkerte Stadt wurde dann systematisch zerstört.
Die entsetzlichen Leiden der Polen finden in zahlreichen Denkmälern und Gedenktafeln ihren Niederschlag. Besonders beeindruckend sind zum Beispiel die Orte der Erinnerung auf dem Areal des ehemaligen Ghettos. Dort befindet sich ein großes, ergreifendes Denkmal für den Aufstand. Darüber hinaus wurde auch der „Umschlagplatz“ als zentraler Ort der Deportation in die Vernichtungslager mit einer entsprechenden Anlage gekennzeichnet. Zwischen diesen beiden Orten erinnern zwei Gedenksteine an den unterirdischen Kommandobunker der Rebellen. Nach seiner Entdeckung durch die Nazis begingen dort über 100 Menschen in aussichtsloser Lage Selbstmord. Ihre Überreste ruhen noch immer unter dem kleinen Hügel, auf dem einer der beiden Gedenksteine steht.
Neben den Denkmälern und einem Museum, das an den Aufstand von 1944 erinnert, gibt es in Warschau zwei Gedenkstätten, die in einer besonders eindringlichen Form den Schrecken der deutschen Besatzungszeit verkörpern: Das ehemalige „Pawiak“-Gefängnis und der Amtssitz der Gestapo in der Szucha-Allee. Der „Pawiak“ wurde bereits im 19. Jahrhundert gebaut. Nach dem deutschen Einmarsch wurde das Gefängnis von der Gestapo als Untersuchungshaftanstalt verwendet. In dieser Funktion war es das größte deutsche Gefängnis für politische Häftlinge in Polen. Etwa 100 000 Menschen wurden durch diese Institution geschleust. 37 000 davon verloren dort oder in dem Gefängnis in der Szucha-Allee – von dem unten noch die Rede sein wird – ihr Leben. Teilweise wurden sie in der Umgebung der Haftanstalt öffentlich aufgehängt. Weitere 60 000 wurden vom „Pawiak“ aus in die Konzentrationslager deportiert.
Auf ihrem Rückzug sprengten die Nazis 1944 das Gefängnis. Später wurde auf den freigelegten Fundamenten des Kellers eine 1965 eröffnete Gedenkstätte eingerichtet. Ein zentraler Ausstellungsraum erinnert dort an die Geschichte des Ortes und der deutschen Besatzungszeit. Darüber hinaus wurde der sich ursprünglich im Keller befindende Zellentrakt teilweise rekonstruiert. In den einzelnen Räumen hat man dokumentarische Ausstellungen untergebracht. Auf der leeren Fläche vor dem Museum liegt ein kleiner Gedenkpark.
Die „Pawiak“-Gedenkstätte ist mit all ihrem Schrecken fast noch „harmlos“ im Vergleich zu dem, was die Besucher im „Mausoleum des Kampfes und Martyriums“ in der Szucha-Allee erwartet. Es befindet sich in dem Gebäude, das während der Besatzungszeit von den deutschen Polizei-, Sicherheits- und Geheimdiensten genutzt wurde – wie zum Beispiel der Gestapo. Im Keller gab es damals einen Zellentrakt, der 1952 in eine Gedenkstätte umgewandelt wurde.
Wer diesen Keller betritt, sieht zuerst die Namen der Ermordeten, die im Eingangsbereich an eine Wand projeziert werden. PC-Terminals informieren über die Hintergründe dessen, was im Gebäude geschah. Die Dokumentation wird durch weitere Projektionen unterstützt: So können die Besucher zum Beispiel die in die Wände gekratzten Botschaften der Gefangenen sehen ... Botschaften größter Verzweiflung. Am schlimmsten sind aber die in dem rekonstruierten Vernehmungszimmer ausgestellten Folterinstrumente: Man erblickt dort Gegenstände, deren „Funktion“ sofort erkennbar ist. Bei anderen Objekten wiederum fragt man sich, wie sie wohl benutzt wurden, um Menschen zu quälen. Was man in dieser Gedenkstätte sieht, geht an die Grenze des Erträglichen.
Wie viele Menschen in dem Gebäude inhaftiert waren und wie viele dort ermordet wurden, ist nicht bekannt. Ermutigend sind an beiden Gedenkstätten letzten Endes nur die Zeichen des unbeugsamen polnischen Widerstandes: Die Untergrundbewegung stellte eine spezielle Einheit zusammen, deren Aufgabe es war, die größten Sadisten und Mörder des „Pawiak“ und der Szucha-Allee zur Rechenschaft zu ziehen. Durch Attentate kamen so der SS-Scharführer Franz Bürkl, die SS-Rottenführer Ernst Wefels und Ewald Lange, der SS-Oberscharführer Herbert Schulz, der SS-Obersturmführer Jacob Lechner und der SS-Brigadeführer Franz Kutschera ums Leben.
Wer nach dem Besuch dieser Denkmäler, Museen und Gedenkstätten die Stadt wieder verlässt, freut sich darüber, dass Deutschland und Polen nun Partner in der EU und der Nato sind. Und wünscht sich zugleich, dass deutsche Politiker mehr Rücksicht auf die Sensibilitäten unseres östlichen Nachbarlandes nehmen wurden!
April 2009