Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Als 1914 die ersten primitiven Bomben aus Flugzeugen abgeworfen wurden, ahnte wohl kaum jemand, was für eine militärische Entwicklung dadurch losgetreten werden sollte. Aber schon wenige Jahre später suchten deutsche, britische, französische und russische Bombergeschwader regelmäßig das gegnerische Hinterland heim. Diese Bombardements gaben einen ersten Vorgeschmack dessen, was während des Zweiten Weltkriegs folgen sollte: So kamen z.B. 1916 bei einem französischen Luftangriff auf Karlsruhe 120 Menschen ums Leben, während ein deutscher Angriff auf London im Juni 1917 wiederum 162 Tote forderte.
Die rapide Weiterentwicklung von Kampfflugzeugen in der Zwischenkriegszeit ließ das Schlimmste befürchten. Die Öffentlichkeit hatte große Angst, dass die Städte Europas im nächsten Krieg das Ziel vernichtender Luftangriffe sein könnten. Durch den Abwurf von Giftgas oder den Einsatz neuartiger "Todesstrahlen", so die zeitgenössischen Berichte, würde es zu einem Massensterben in den Metropolen kommen. Die Bevölkerung verspürte angesichts dieser neuen Bedrohung eine große Hilflosigkeit und in einigen Ländern wurden bereits erste Luftschutzbunker gebaut. Natürlich war klar, dass diese Bauwerke nur begrenzten Schutz bieten konnten – wo sollte man auch die Millionen zählende Bevölkerung der Großstädte sicher unterbringen? Die Zerstörung der Stadt Guernica durch Flugzeuge der deutschen „Legion Condor", die in Spanien Francos Putschisten unterstützte, schien 1937 die düsteren Szenarios zu bewahrheiten.
Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, ließen schwere Luftangriffe auf Städte nicht lange auf sich warten. Die deutsche Luftwaffe legte in den ersten Kriegsjahren Warschau, Rotterdam, Coventry und andere Städte in Trümmer. Allein bei den Angriffen auf Belgrad im April 1941 waren 17 000 Tote zu verzeichnen. Wenn dabei auch kein Giftgas und keine „Todesstrahlen" eingesetzt wurden, sprachen solche Zahlen doch für sich. Im weiteren Verlauf des Krieges wurde Deutschland dann selbst das Ziel immer massiverer Luftangriffe. Die vorhandenen Luftschutzbunker, ob in Deutschland, Großbritannien oder anderswo, konnten nur einen kleinen Prozentsatz der Bevölkerung aufnehmen. Der Rest wurde aufs Land verschickt, flüchtete in die Hauskeller oder die örtlichen Grünanlagen. Wer es geschafft hatte, in die Bunker zu gelangen, war dort relativ sicher – auch wenn es immer wieder Volltreffer mit verheerenden Folgen gab. Ein Überleben im Bunker war prinzipiell möglich.
Die Karten wurden neu gemischt, als die Städte Hiroschima und Nagasaki 1945 im atomaren Blitz verglühten. Die Atombombe war und ist mit keiner anderen Waffe vergleichbar:
*Gegen die Druckwelle, die extreme Hitze und die Strahlung nuklearer Sprengsätze gibt es kaum Schutz. Die noch relativ „harmlosen" Atombomben der 1. Generation wurden schnell weiterentwickelt, ihnen folgte z.B. die Wasserstoffbombe mit einer vielfach stärkeren Wirkung.
*Zu den durch die Explosion unmittelbar verursachten Schäden kommen die langfristigen Auswirkungen der freigesetzten Radioaktivität hinzu, die durch Wind und Niederschlag über große Gebiete verteilt werden kann. In hohen Dosen ruft Radioaktivität die meistens tödliche Strahlenkrankheit hervor. Mittelfristig sind schwere Schäden der inneren Organe und Krebserkrankungen die Folge, langfristig wird das Erbgut über Generationen hinweg in Mitleidenschaft gezogen.
*Darüber hinaus ist von erheblicher Bedeutung, dass Atombomben so kompakt sind, dass sie von einzelnen Flugzeugen ins Ziel gebracht werden können, denen normalerweise nicht anzusehen ist, ob sie konventionelle oder atomare Waffen tragen. Im Tiefflug können sich diese Flugzeuge ihrem Ziel unbemerkt nähern. Auch die seit den fünfziger Jahren entwickelten Trägersysteme wie z.B. U-Boote, die ihre Atomraketen direkt vor der Küste des Gegners abschießen können, oder die tief fliegenden Cruise Missiles, bewirken, dass es entweder gar keine Vorwarnzeit gibt oder diese nur wenige Minuten beträgt.
Gegen Atombomben halfen keine Bunker mehr. Es war klar, dass kaum jemand sie im Falle eines nuklearen Angriffs rechtzeitig erreichen würde. Und selbst wenn – die Überlebenden hätten nach einiger Zeit den Bunker verlassen und eine verstrahlte Umwelt betreten müssen, in der kein Überleben mehr möglich gewesen wäre. Angesichts dieser allgemein bekannten Umstände drängt sich die Frage auf, warum viele Staaten sich überhaupt die Mühe machten, „atomsichere" Bunker zu bauen. War dies vielleicht der Versuch, den unerträglichen Gedanken des nuklearen Infernos erträglich zu machen, ihm mit einem winzigen Fünkchen Hoffnung, mit der Illusion zu versehen, dass ein Überleben doch noch irgendwie möglich wäre? Waren die Menschen nicht in der Lage, sich der Realität zu stellen, die entsprechenden Konsequenzen zu ziehen und auf den letztendlich sinnlosen Bau von Zivilschutzanlagen zu verzichten? Waren diese Bunker nur ein Ausdruck des schlechten Gewissens angesichts der entsetzlichen Tatsache, dass die Menschheit nun in der Lage war, sich selbst zu vernichten?
Die Menschheit lernte, mit der Atombombe zu leben. Sie hatte auch keine andere Wahl – die Atombombe konnte nicht aus der Welt geschaffen werden, es gab kein Zurück mehr. Während der langsam wachsende Club der Atommächte tausende und abertausende von Sprengköpfen anhäufte, gewöhnte man sich an die Existenz dieser Waffen und lernte, ihre Vorteile zu schätzen: Das „Gleichgewicht des Schreckens" verhinderte eine direkte militärische Auseinandersetzung zwischen Ost und West. Beide Seiten wussten, dass der Einsatz von Atomwaffen, der auch in einem anfangs konventionell geführten Krieg früher oder später mit größter Wahrscheinlichkeit stattfinden würde, einem Selbstmord gleichkäme. Im Schatten der Atombombe konnte man über Jahrzehnte hinweg ein sehr friedliches Dasein führen. So wuchsen Generationen heran, die noch nie einen Krieg erlebt hatten.
Gleichzeitig wurde diese Existenz aber auch von einer permanenten unterschwelligen Angst begleitet. Man hörte von „Beinahe-Atomkriegen", die durch Computerfehler ausgelöst wurden. Man wusste, dass beide Seiten Überlegungen anstellten, wie sie das nukleare Potential des Gegners durch Überraschungsangriffe zerstören könnten. Kurzum: Es war klar, dass das Ganze auch schief gehen konnte! Filme wie „The Day After" und „When the Wind Blows" zeugen von den Ängsten, die viele Menschen damals mit sich herumtrugen – Ängste, die in der ersten Hälfte der Achtziger durch die kriegerische Rhetorik und die Rüstungsprogramme des US-Präsidenten Reagan noch einmal geschürt wurden. Aber dann setzte der neue sowjetische Machthaber Gorbatschow eine Kette von Ereignissen in Gang, die in der deutschen Wiedervereinigung, der Auflösung des Ostblocks und schließlich sogar der Sowjetunion gipfelte. Der Kalte Krieg war vorbei und die Bunker schienen endgültig ausgedient zu haben. Die Bedrohung der Menschheit durch Massenvernichtungswaffen war gebannt. Oder?
Als die Sowjetunion zerbrach und einige ihrer Nachfolgestaaten sich bekriegten bzw. durch schwere innere Unruhen erschüttert wurden, tauchte in den westlichen Medien der Begriff „loose nukes" („ungesicherte Atomwaffen") auf. Ängstlich wurde gefragt, ob die Militärs der ehemaligen Sowjetunion ihre nuklearen Sprengköpfe noch vollständig unter Kontrolle hätten oder ob nicht einzelne davon „verschwinden" könnten, zum Beispiel in den Iran oder gar in die Hände von Terroristen. In diesem Zusammenhang wiesen die Experten auch darauf hin, dass man noch gar nicht mal eine Atombombe bräuchte: Ein paar Gramm radioaktives Material, mit herkömmlichem Sprengstoff vermischt und zur Explosion gebracht, würden bereits reichen, um Teile einer Großstadt zu verseuchen und eine Massenpanik auszulösen. Zudem hatten – um das Panorama zu vervollständigen – die Sachverständigen bereits 1986, nach der folgenschweren Explosion in Chernobyl, darauf hingewiesen, dass ein Bombenanschlag oder ein Flugzeugabsturz auf ein Atomkraftwerk ähnliche Wirkung entfalten könnte wie das Desaster in der Ukraine.
Solche Szenarien waren freilich nicht neu. Bereits seit den fünfziger Jahren hatten sich z.B. viele Actionfilme, von Spider-Man bis James Bond, mit der Möglichkeit befasst, dass Atom- oder andere Massenvernichtungswaffen in die Hände von Unbefugten geraten oder von diesen hergestellt werden könnten. Zugleich wusste man jedoch, dass die Großmächte ihre ABC-Waffen gut bewachten und dass die Herstellung solcher Waffen außerordentlich komplex und gefährlich war.
In den neunziger Jahren änderten sich diese Umstände aber. Dabei ging es nicht nur um die „loose nukes", sondern auch um die Folgen des Zusammenbruchs des militärisch-industriellen Komplexes des ehemaligen Ostblocks. Innerhalb kürzester Zeit wurden tausende von hochqualifizierten Wissenschaftlern aus der Rüstungsproduktion arbeitslos – Menschen, die man mitunter für eine Hand voll Dollars anwerben konnte, um an ihr tödliches Know-how zu gelangen. Gleichzeitig war die Produktion von ABC-Waffen durch technische Fortschritte immer einfacher geworden (Anleitungen für die Produktion von Giftgas kann man sich mittlerweile aus dem Internet herunterladen). Und somit war es vielleicht nur eine Frage der Zeit, bis der sogenannte „Neue Terrorismus" zum ersten Mal in Erscheinung treten sollte: Am 20. März 1995 setzten Mitglieder der Aum-Sekte in der U-Bahn Tokios selbst hergestelltes Sarin frei. 12 Menschen starben durch das Giftgas, weitere 5000 mussten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. In den folgenden Wochen gab es in Japan weitere Anschläge bis man die Führer der Sekte, welche die Herrschaft über das Land übernehmen wollten, festgenommen hatte. Danach kehrte erst einmal Ruhe ein – bis die Welt durch die Anschläge des 11. Septembers erschüttert wurde. Zwar hatten die Terroristen dabei keine Massenvernichtungswaffen eingesetzt, doch war das Ergebnis mit 3000 Toten trotzdem „sehenswert". Und man wagte kaum, sich vorzustellen, was passiert wäre, wenn die Attentäter die Flugzeuge in Chemiefabriken oder gar Atomkraftwerke gelenkt hätten. Auch die kurze Zeit später in den USA erfolgten Milzbrand-Anschläge waren noch vergleichsweise harmlos. Was wäre zum Beispiel geschehen, wenn die Terroristen Zugriff auf das tödliche Ebola-Virus gehabt hätten?
Bunker können vor solchen Gefahren kaum schützen. Der „Neue Terrorismus" schlägt überraschend aus dem Hinterhalt zu. Den Betroffenen wird mit großer Wahrscheinlichkeit keine Zeit bleiben, Schutz zu suchen. Deswegen wird der Zivilschutz der Zukunft primär darauf ausgerichtet sein müssen, nicht auf Anschläge zu reagieren, sondern sie zu verhindern. Terroristische Strukturen müssen so schnell wie möglich erkannt und zerschlagen werden, ohne dabei den Rechtsstaat auszuhöhlen. Ob die demokratischen Staaten zu diesem Spagat in der Lage sind, wird sich sodann zeigen. Gleichzeitig muss auf internationaler Ebene dafür gesorgt werden, dass es im Nahen Osten zu einem möglichst gerechten Frieden zwischen Israelis und Palästinensern kommt. An der einseitigen Parteinahme der USA zugunsten Israels entzünden sich in der arabischen Welt immer wieder die Gemüter, sie stellt für die Propagandisten des „Heiligen Krieges" ein gefundenes Fressen dar. Zugleich sollte man sich aber nicht der Illusion hingeben, dass der islamische Fundamentalismus auf absehbare Zeit aus der Welt verschwinden wird. Solange der Islam immer noch auf seinen Martin Luther wartet und solange die meisten Moslems in größter Armut leben, ist diese Bewegung aus der Weltpolitik nicht wegzudenken. Und selbst wenn sie irgendwann abflauen sollte, könnten andere radikale Strömungen an ihre Stelle treten …
Erfahrungsgemäß reagiert die Politik oft nur dann, wenn etwas passiert. Ob man sich in diesem Zusammenhang solch eine Einstellung leisten kann, ist natürlich äußerst fragwürdig. Zwar ist bekannt, dass die Behörden hierzulande angesichts der neuen Bedrohungslage bereits erste Maßnahmen ergriffen haben – „da tut sich etwas". Aber die Kohärenz und das Ausmaß dieser Bemühungen sind nicht genau erfassbar. Somit liegt es letzten Endes auch an den „mündigen Bürgern", sich mit dieser Problematik zu beschäftigen und für den notwendigen öffentlichen Druck zu sorgen!
Copyright Niko Rollmann