Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Ein interessantes Phänomen der letzten 20 Jahre ist das zunehmende Interesse der Öffentlichkeit an unterirdischen Orten. Bereits in den Fünfzigern soll der Pariser Untergrund gelegentlich von Existenzialisten und anderen Bohemiens heimgesucht worden sein. Was diese Menschen allerdings dort unten genau taten, ist nicht bekannt. Diese frühen Exkursionen, die in gewisser Hinsicht eine Erweiterung des altbekannten Höhlentourismus darstellten, waren jedoch harmlos im Vergleich zu dem Untergrund-Boom, der in den achtziger Jahren einsetzte. Seitdem wurden stapelweise Bücher zum Thema veröffentlicht, der Untergrund wurde in zahllosen Zeitungsartikeln, Photo-Reportagen, Radio- und TV-Sendungen unter die Lupe genommen. In vielen Städten wurden Vereine gegründet, die unterirdische Architektur dokumentieren und Führungen durch diese Bauwerke anbieten. Der Untergrund ist trendy!
Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Zunächst einmal ist festzuhalten, dass ein großer Teil der unterirdischen Bauwerke, durch die heutzutage geführt wird, früher überhaupt nicht zugänglich war. Dies betrifft zum Beispiel die westdeutschen „Zivilschutzbunker“ des Kalten Krieges, die bis weit in die Achtziger hinein generell einer Geheimhaltung unterlagen. In der „geschlossenen Gesellschaft“ der DDR wiederum waren Einrichtungen der Infrastruktur ohnehin tabu, da befürchtet wurde, Agenten gegnerischer Mächte könnten diese Anlagen bei Führungen auskundschaften. Im Osten Berlins kam noch die Angst hinzu, dass Menschen durch den Untergrund in den Westen flüchten könnten. Erst seit Anfang der neunziger Jahre sind also viele Türen überhaupt erst geöffnet worden! Nun aber zurück zu der Frage nach den eigentlichen Gründen für den neuen Ruhm des Untergrundes:
Zum einen drängen sich hier Begriffe wie „Freizeitgesellschaft“, „Spaßgesellschaft“ und „Erlebniskultur“ auf. Dem modernen Großstädter steht ein gewisses Maß an Freizeit zur Verfügung – vor allem dann, wenn er keinen festen Beruf hat. Zugleich ist er hinsichtlich seiner Freizeitgestaltung anspruchsvoller geworden. Früher ging man in die Kneipe, ins Restaurant, ins Kino, in den Park oder vielleicht ins Museum. Heutzutage darf es schon mal etwas Anderes, etwas Ungewöhnliches sein … da drängt sich eine Exkursion in die Unterwelt geradezu auf. Ein zusätzlicher Reiz des Untergrundes liegt darin, dass man ihn normalerweise nicht sieht und nur Teile davon betreten kann. Der Untergrund ist ein Geheimnis, das heizt die Neugierde an! Zudem ist er auch bis zu einem gewissen Grade salonfähig geworden. Früher hätten die meisten Menschen wahrscheinlich die Nase gerümpft: Der Untergrund war schmutzig, feucht, verrufen und roch nicht gut. Damit wollte man nichts zu tun haben! Heutzutage muss man nur den Fernseher einschalten, um zu sehen, wie Menschen ungehemmt über ihre ungewöhnlichen sexuellen Vorlieben reden oder dem Publikum erklären, wie man Küchenschaben züchtet. In solchen Zeiten kann man sich dann auch zum grottigen Untergrund bekennen, ohne soziale Ächtung befürchten zu müssen.
Darüber hinaus befasst sich seit den neunziger Jahren auch die politische Erwachsenenbildung mit unterirdischen Orten. Der Untergrund ist ja nicht nur ein eigenes historisches und kulturelles Phänomen, sondern auch ein Abdruck der politischen und sozialen Verhältnisse, die an der Oberfläche herrschen. Somit kann fast jede historische Phase anhand der Bauwerke, die sie unter der Erde hinterließ, anschaulich dargestellt werden. Während man an der Oberfläche Bauwerke, die nicht mehr benötigt werden, ganz einfach abreisst und durch neue Architektur ersetzt, werden unterirdische Bauten oft einfach nur verschlossen … und vergessen. Die Zeit bleibt dort mehr oder weniger stehen. An solchen authentischen Orten sind die Seminarteilnehmer dann natürlich viel aufmerksamer und rezeptionsbereiter als in stickigen Seminarräumen!
Zuletzt haben leider auch Militaristen den Untergrund als Betätigungsfeld entdeckt. Diese Menschen interessieren sich eigentlich nur für die technischen Details unterirdischer Bunker und blenden die historischen und politischen Dimension dieser Bauwerke weitgehend aus. Während solche Menschen ihrer Leidenschaft für Waffen früher nur in den eigenen vier Wänden oder auf alten Schlachtfeldern frönen konnten, erlauben ihnen die Bunker nun, sich nach Lust und Laune auszutoben. Unter dem Deckmantel der „Forschung“ und weitab jeglicher wissenschaftlicher Kriterien wird dabei oft auch politisches Gedankengut verbreitet, das mit Demokratievorstellungen nicht mehr kompatibel ist!