Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Die Eintracht der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges schmolz innerhalb weniger Jahre dahin und schlug in eine Jahrzehnte dauernde Konfrontation um, die als „Kalter Krieg“ in die Geschichtsbücher einging. Da seit Ende der vierziger Jahre beide Seiten über Atomwaffen verfügten, gab es keinen offenen Krieg zwischen dem Ostblock und den Westmächten. Das Risiko war zu groß – selbst ein anfänglich konventionell geführter Krieg hätte schnell zu einem „nuklearen Schlagabtausch“ führen können. Für den Fall eines Atomkrieges rechnete man zum Beispiel in Großbritannien mit dem Verlust eines Drittels der Bevölkerung innerhalb kurzer Zeit. Angesichts solcher Szenarien versuchten beide Seiten, den Gegner durch Spionage, Embargos, Propaganda, Subversion, Sabotage, Stellvertreterkriege und ein eskalierendes Wettrüsten zu schwächen. Diese Strategie der indirekten Konfrontation führte dazu, dass Europa zum ersten Mal seit Jahrhunderten eine lange Phase ohne Kriege erlebte.
Gleichzeitig hatten aber viele Menschen Angst, dass es irgendwann doch zu einem Atomkrieg kommen könnte. Um die Bevölkerung zu beruhigen, wurden in vielen Ländern unterirdische Atombunker – oft euphemistisch „Zivilschutzanlagen“ genannt – gebaut. Dieser Begriff ist jedoch irreführend, da diese Bauten kaum vor nuklearen Waffen schützen konnten: Aufgrund der kurzen Vorwarnzeiten hätten die meisten Bürger sie nicht rechtzeitig erreicht. Darüber hinaus hätten die Insassen die Bunker aus technischen Gründen schon nach wenigen Wochen wieder verlassen und eine verwüstete, verstrahlte Umwelt betreten müssen. Wenn man hinzufügt, dass in den meisten Ländern solche Bunker nur für einen winzigen Teil der Bevölkerung vorhanden waren, wird klar, dass diese Programme eine Farce waren. Selbst die hochgezüchteten Anlagen für die politischen Eliten und das Militär – wie zum Beispiel das NORAD-Kommandozentrum in Colorado oder der BRD-Regierungsbunker im Ahrtal – hätten nur in den wenigsten Fällen nukleare Volltreffer überlebt (und da die gegnerische Seite oft wusste, wo diese Bauwerke lagen, hätte man sie im Kriegsfall wahrscheinlich mit mehreren Kernwaffen angegriffen).
Die Atombunker sind somit als in Beton gegossene Beruhigungspillen zu verstehen, die die Angst vor der nuklearen Apokalypse lindern sollten. Seit dem Ende des Kalten Krieges und vor allem seit dem 11. September 2001 sind diese Anlagen nur noch historische Relikte einer vergangenen Epoche. Denn vor dem modernen Terrorismus bieten sie ohnehin keinen Schutz. Neben den großen, staatlich gebauten Bunkern errichteten viele Bürger westlicher Staaten während des Kalten Krieges auch private Schutzräume. Die Anzahl dieser Anlagen ist nicht bekannt, es könnten tausende sein.
Im Zusammenhang mit Atomwaffen spielte der Untergrund noch eine ganz andere Rolle, in der seine Schutzfunktion sozusagen spiegelbildlich umgekehrt wurde: Atomare Sprengköpfe müssen vor allem in der Entwicklungsphase getestet werden. Die Militärs zündeten sie zuerst in Wüsten oder in den Weiten des Pazifiks. Da es dabei jedoch wiederholt zu „Unfällen“ und großflächigen Verstrahlungen kam, regte sich zunehmend öffentlicher Protest. Deswegen gingen die Atommächte teilweise dazu über, ihre Waffen unter der Erde zu testen. Allerdings wurde auch bei dieser Vorgehensweise mehrfach unkontrolliert Radioaktivität freigesetzt.
In der Nachkriegszeit legten mehrere Staaten – darunter die USA und die Bundesrepublik Deutschland – unterirdische Erdölreserven an. Diese Maßnahme wurde vor allem durch den aus dem Yom-Kippur-Krieg resultierenden „Ölpreisschock“ des Jahres 1973 motiviert: Die ölfordernden arabischen Staaten hatten nach dem Sieg Israels ihren Ausstoß heruntergeschraubt, was in vielen Ländern zu einschneidenden Maßnahmen führte. Die USA haben ihre Reserven in vier Salzstöcken am Golf von Mexiko untergebracht. Der entsprechende Hohlraum der „Strategic Petroleum Reserve Louisiana“ soll doppelt so hoch sein wie das Empire State Building. Deutschlands strategische Ölreserve wird teilweise ebenfalls in unterirdischen Salzstöcken im Norden des Landes gelagert. Der Vorrat soll den Bedarf für 90 Tage abdecken können. Darüber hinaus gibt es in der Bundesrepublik auch große unterirdische Erdgasspeicher, die kurzfristige Engpässe überbrücken sollen und im Winter eine kontinuierliche, krisensichere Versorgung mit dem Rohstoff garantieren.
Die nach dem Kriege betriebene Entwicklung der Kernenergie führte zu einer neuen Nutzung des Untergrundes: Die verbrauchten Brennstäbe der Reaktoren sowie weiterer radioaktiver Müll aus Kernkraftwerken sollen zur „Endlagerung“ unter die Erde gebracht werden. Dabei werden vor allem Salzstöcke bevorzugt, die wasserdicht und geologisch sehr stabil sein sollen. Trotzdem ist die unterirdische Lagerung atomarer Abfälle nach wie vor ein heiß umstrittenes Politikum. Vielen Menschen drängt sich der Verdacht auf, dass hier der Versuch gemacht wird, ein nicht vertretbares Risiko beherrschbar zu machen – auf Kosten zukünftiger Generationen. Nicht zu Unrecht drängt sich hier ein altes Sprichwort auf: Aus dem Blick, aus dem Sinn. Gerade die Kontroversen um die Lagerstätten Asse und Gorleben haben diese Problematik erneut überdeutlich aufgezeigt.
Ein anderes neues „Genre“ der Untergrundarchitektur, das in der Nachkriegszeit entstand, sind die unterirdischen Teilchenbeschleuniger, die vor allem mit dem CERN-Forschungszentrum bei Genf in Verbindung gebracht werden. Derartige Anlagen werden vor allem aus Platzgründen unter der Erde gebaut. In bis zu 27 Kilometer langen Ringtunneln und sonstigen Anlagen führen Wissenschaftler physikalische Experimente der Superlative durch. Der 2008 erstmalig in Betrieb genommene Large Hadron Collider (LHC), der in dem Genfer Ringtunnel installiert wurde, ist der größte Teilchenbeschleuniger der Welt. Andere unterirdische Teilchenbeschleuniger wurden zum Beispiel im amerikanischen Stanford und in Hamburg gebaut.
In den großen Metropolen setzte die U-Bahn nach dem Krieg ihren weltweiten Siegeszug mit beschleunigter Geschwindigkeit fort. Zwar wurde das Auto in der Verkehrsplanung oft bevorzugt behandelt, doch warfen die so entstehenden, im Schneckentempo dahinkriechenden Blechlawinen – einhergehend mit starker Luftverschmutzung – die Frage nach Alternativen auf. Neue U-Bahnsysteme entstanden so zum Beispiel in Toronto, Sankt Petersburg, Rom, Lissabon, Montreal, Rotterdam, Mexiko-City, München, Peking, Prag, Hannover, Santiago, Brüssel, Wien, Amsterdam, Marseilles, Taschkent, Lyon, Atlanta, Rio de Janeiro, Baltimore, Kairo und Los Angeles. Die Tristesse, die diese Verkehrssysteme mitunter auszeichnet, regte vielerorts Kunstprogramme an, die den Aufenthalt in der U-Bahn angenehmer gestalten sollten. Mitunter verwies diese Ausgestaltung auf Bauwerke an der Oberfläche; manchmal bezog sie aber auch bei den Bauarbeiten gefundene archäologische Schichten oder sogar geologische Strukturen mit ein. Zu den herausragenden Beispielen dafür gehören die U-Bahnen von Stockholm, Toronto, Mexico-City und Paris. Heutzutage gehört die U-Bahn fast schon zum Selbstverständnis moderner Großstädte. Wenn man von den hohen Baukosten absieht, ist sie als schnelles, effizientes, die Straßen entlastendes Verkehrsmittel kaum zu schlagen.
Angesichts der Tatsache, dass in den Zentren der großen Städte Platz immer knapper (und somit auch teurer) wurde, kam es dort zu einer verstärkten Nutzung des Untergrundes. Aufgrund vorangeschrittener Technik wurde es zudem auch einfacher, unter der Erde zu bauen. So entstanden viele Einkaufszentren, gastronomische Einrichtungen, Tiefgaragen und Autotunnel. In der kanadischen Stadt Montreal wurde im Laufe mehrerer Jahrzehnte ein großes unterirdisches System geschaffen, das von seiner Ausdehnung her mit einer eigenen Stadt vergleichbar ist. Dort gehen Menschen nicht nur hin, um einzukaufen oder sich zu amüsieren – sie leben teilweise auch dort. Dies hängt damit zusammen, dass es im Winter in Montreal sehr kalt und unwirtlich ist. Eine richtige unterirdische Stadt wird wahrscheinlich in Tokio entstehen. Das hat freilich nichts mit klimatischen Gegebenheiten zu tun, sondern mit dem erwähnten Faktor, der Teile der Stadt unter die Erde treibt: Platzmangel.
In einigen Städten haben sich in den letzten Jahrzehnten auch Menschen jenseits der offiziellen Stadtplanung unter die Erde begeben. Sie taten dies nicht, weil sie es wollten, sondern weil sie sich an der Oberfläche nicht mehr behaupten konnten. Es geht dabei um die Menschen, die in New York, Bukarest und anderen Städten in stillgelegten Tunneln und U-Bahnstationen leben. Diese Gruppen setzen sich aus Obdachlosen, Drogensüchtigen, Kriminellen, Straßenkindern, Prostituierten, psychisch Gestörten und anderen marginalisierten Menschen zusammen. Ihr Aufenthalt unter der Erde geht mit einer zunehmenden körperlichen und seelischen Verwahrlosung einher und ist ein unverkennbares Zeichen dafür, dass die sozialen Sicherungsmechanismen dieser Städte nicht mehr greifen. Daran werden auch entsprechende „Säuberungskampagnen“ langfristig nichts ändern.