Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Wie bereits erwähnt, hat der Untergrund seit der Antike eine militärische Rolle gespielt. Diese frühen Aktivitäten waren aber fast harmlos im Vergleich zu den Ereignissen, die sich während des Ersten Weltkrieges unter der Erde abspielten. 1914 gingen die meisten beteiligten Staaten davon aus, dass es sich um einen kurzen Bewegungskrieg handeln würde. Aber die Waffentechnologie, die in den vorherigen Jahrzehnten rasante Fortschritte gemacht hatte, begrub diese Träume innerhalb kürzester Zeit. Durch Maschinengewehre, Granatwerfer, Handgranaten, Flammenwerfer, Stacheldraht und später auch Giftgas verwandelte sich der Bewegungskrieg in einen Stellungskrieg, der eine entsetzliche Zahl von Opfern forderte. Angesichts dieser Verluste gruben sich die Armeen ein. Das Ausheben von Schützengräben war dabei lediglich der Anfang – realen Schutz konnten nur tief liegende Unterstände bieten. Dort mussten die Soldaten bei schwerem Artilleriebeschuss mitunter tagelang ausharren. Bei Einschlägen großkalibriger Geschosse wurden sie oft verschüttet. Die unterirdischen Schutzräume gerieten nach dem Kriege oft in Vergessenheit. Das führte wiederum dazu, dass sie später mitunter einbrachen und darüber liegende Häuser und Straßen gefährdeten.
Beide Seiten fingen dann an, unter die Stellungen der Gegner führende Tunnel zu graben. Dort wurden riesige Sprengladungen plaziert, die die feindlichen Positionen überraschend vernichten sollten. Die taktischen Erfolge, die man so erringen konnte, waren meistens jedoch gering, da die entstandenen Löcher in der Front schnell wieder gestopft werden konnten. Außerdem gruben speziell ausgebildete Einheiten Stollen, in denen sie mit besonderen Geräten die unterirdischen Aktivitäten des Gegners hören und lokalisieren konnten. Sodann versuchten sie, die aufgespürten Tunnel zu sprengen oder zu stürmen. Diese Gefechte, die oft in fast völliger Dunkelheit stattfanden, gehören zu den extremsten Kampfsituationen des Krieges. Die zahllosen auf den Schlachtfeldern des Ersten Weltkrieges verbliebenen Blindgänger stellen für die örtliche Bevölkerung immer noch eine Bedrohung dar.
Während des Krieges führte die deutsche Luftwaffe mit Zeppelinen und später auch mit Flugzeugen Bombenangriffe auf gegnerische Städte durch. Dabei war vor allem London immer wieder das Ziel. Verglichen mit dem, was später einmal folgen sollte, waren diese Angriffe zuerst kaum erwähnenswert – der Bombenkrieg steckte noch in den Kinderschuhen. Aber die Bevölkerung war von diesen Attacken schockiert und entsetzt. Und mit den 1917 einsetzenden, in Verbänden erfolgenden Einsätzen von „Gotha“-Bombern gab es zum ersten Mal auch größere Verluste unter der Zivilbevölkerung Londons. Die Bevölkerung geriet teilweise in Panik und suchte Schutz in den U-Bahnstationen der Metropole. Bis zu 300 000 Menschen hielten sich dort gleichzeitig auf.
In der Zwischenkriegszeit legten mehrere europäische Länder große Festungsgürtel an. Das bekannteste Beispiel dafür ist die französische Maginot-Linie, die das Land vor einem erneuten deutschen Angriff schützen sollte. Diese Anlagen beinhalteten ausgedehnte unterirdische Areale, in denen Truppen und Munitionsvorräte vor Beschuss sicher sein sollten. Zugleich hatten diese Verteidigungslinien strategisch aber kaum einen Sinn, bei Ausbruch des Zweiten Weltkrieges waren sie bereits veraltet: Im Gegensatz zum Ersten Weltkrieg war der Konflikt, den die Nazis 1939 vom Zaun brachen, ein Bewegungskrieg. Große Panzerverbände erlaubten eine schnelle, mobile Kriegsführung. Aufgrund der sich somit permanent bewegenden Frontlinien ergab es normalerweise keinen Sinn, Schützengräben auszuheben oder verbunkerte Unterstände zu bauen. Die Nazis bauten zwar Festungsgürtel wie den „Atlantikwall”, den „Westwall“, den „Ostwall” (Letzterer übrigens mit einem bemerkenswerten unterirdischen Tunnelsystem) oder die „Gotenstellung”, die jedoch nur begrenzten militärischen Wert hatten.
Zugleich gab es während dieses Krieges zwei große Bewegungen in den Untergrund hinein, wo Menschen – und später auch Produktionsanlagen – vor Bomben geschützt werden sollten. Denn in der Zwischenkriegszeit wurde der Bomber zu einer äußerst schlagkräftigen Waffe entwickelt, dessen tödliches Potential sich bereits während des spanischen Bürgerkrieges zeigte: Deutsche Bomber der General Franco unterstützenden „Legion Condor“ legten 1937 die Stadt Guernica in Schutt und Asche. Während der Luftangriffe der Putschisten auf Madrid und Barcelona mussten die Stadtbewohner in der U-Bahn und sonstigen unterirdischen Räumen Schutz suchen. Als die Wehrmacht 1939 in Polen einmarschierte, gehörten Bombenangriffe auf die Zivilbevölkerung von Anfang an zur deutschen Strategie. Auf diese Art und Weise sollte die Kriegsmoral des Gegners geschwächt werden. Warschau und Rotterdam wurden dabei schwer getroffen. Die schlimmsten Bombenangriffe musste jedoch Großbritannien erleiden, dessen Städte 1940-41 von der deutschen Luftwaffe anhaltend bombardiert wurden. Dabei erlitten vor allem London und Coventry große Schäden. Da es zu jener Zeit so gut wie gar keine Luftschutzbunker gab, drängte die Londoner Bevölkerung erneut in die U-Bahnstationen hinein, in denen sie vor Bomben relativ sicher war. Die Behörden versuchten zunächst, diesen Ansturm zu bremsen, da sie Störungen des Zugverkehrs befürchteten. Darüber hinaus nahmen sie an, dass die Menschen sich irgendwann weigern könnten, wieder an die Oberfläche zu kommen. Nach kurzer Zeit gaben die Behörden die Stationen aber doch frei.
Ab 1941 wurden schließlich deutsche Städte das Ziel immer größerer Luftangriffe. Auch die Alliierten hofften, mit massiven Bombardements den Kriegswillen der gegnerischen Zivilbevölkerung brechen zu können. Die deutsche Luftabwehr war zu schwach, um diese Angriffe abzuwehren und die Bevölkerung musste somit Schutz unter der Erde suchen. Bei Kriegsbeginn standen Luftschutzbunker aber nur einem kleinen Teil der Bevölkerung zur Verfügung. Die Bauprogramme, die in den folgenden Jahren initiiert wurden, konnten nur begrenzt Abhilfe schaffen. In Berlin gab es zum Beispiel bei Kriegsende nur für etwa fünf Prozent der Bevölkerung Luftschutzräume. Die anderen Schutzsuchenden, sofern man sie nicht schon in ländliche Regionen evakuiert hatte, mussten in den Kellern ihrer Häuser ausharren. Sicher waren sie dort allerdings nicht: Bei Volltreffern konnten die Insassen verschüttet oder verbrannt werden. In anderen Fällen erstickten sie, starben an Gasvergiftungen oder ertranken, nachdem Wasserleitungen getroffen worden waren.
Außer in Großbritannien und Deutschland suchten auch in anderen schwer bombardierten Ländern wie Österreich, Italien, Rumänien, Japan und auf Malta Zivilisten unter der Erde Schutz. Oft handelte es sich nur um improvisierte Schutzräume wie zum Beispiel alte Gewölbe oder größere Kellerräume; man hatte nicht genügend Zeit oder keine Ressourcen, um richtige Bunker zu bauen. Unter der Erde wurden übrigens nicht nur Menschen, sondern oft auch Kulturschätze oder sonstige Kostbarkeiten verwahrt. Ob alle unter der Erde eingelagerten Güter nach dem Ende der Kampfhandlungen wieder an die Oberfläche befördert wurden, ist nicht genau bekannt. Viele Schatzsucher gehen beispielsweise davon aus, dass das Bernsteinzimmer noch immer in einer unterirdischen Räumlichkeit auf seine Entdeckung wartet. Auch die DDR-Staatsicherheit hat noch lange im ostdeutschen Untergrund nach entsprechenden Gütern gesucht.
Die Bombenangriffe der Alliierten stellten auch eine Gefahr für die deutsche Rüstungsindustrie dar. Die militärische Führung befürchtete, dass die Allierten mit gezielten Schlägen bestimmte Schlüsselindustrien lahmlegen könnten. Aus diesem Grunde wurden wichtige Betriebe ab 1943 zunehmend unter die Erde verlegt (Großbritannien hatte bereits 1940 während der „Luftschlacht um England“ unterirdische Produktionsstätten betrieben). Nachdem man alle zur Verfügung stehenden Tunnel, Stollen, Gewölbe und Höhlen systematisch erfasst hatte, entstanden im Rahmen der „U-Verlagerung“ zahlreiche unterirdische Fabriken, in denen alles von Patronen bis zu V2-Raketen produziert wurde. Dieses Großprojekt war nur durch den Einsatz von Zwangsarbeitern und KZ-Häftlingen möglich, die diese Betriebe unter den entsetzlichsten Bedingungen aufbauen und oft sogar unter der Erde leben mussten. Das Elend der an der U-Verlagerung beteiligten Zwangsarbeiter erinnert an die inhumanen Zustände der in den römischen Goldminen schuftenden Sklaven.
Zuvor hatten die Nazis schon eine andere brutale „Untergrund-Tradition“ wiederbelebt: die Folterkeller. 1933 wurden überall in Deutschland „wilde KZs“ eingerichtet, in deren Kellern die Nazis politische Gegner misshandelten. Während des Krieges gab es dann auch in zahlreichen deutsch besetzten Städten entsprechende Einrichtungen. NS-Folterkeller existierten zum Beispiel in Berlin, Brünn, Dresden, Frankfurt (Main), Freiburg, Köln, Klingenthal, Leipzig, Löbau, München, Osnabrück, Porz, Rom, Saarbrücken, Stargard, Stettin, Stuttgart, Triest, Wilna, Warschau, Weimar, Wien, Wittstock, Wuppertal und zahlreichen anderen Orten. Die Verfolgten wiederum suchten oft in unterirdischen Verstecken Schutz vor den Nazis (so gab es zum Beispiel unter dem Ghetto der litauischen Hauptstadt Wilna zahlreiche Kellerverstecke). Auch Hitlers großer Gegner, Stalin, sollte die Tradition der Kerker wiederbeleben – er überzog seinen Herrschaftsbereich mit „GPU-Kellern“, Untersuchungshaftgefängnissen für politische Gegner.
An mehreren Orten sollte sich das aus dem Ersten Weltkrieg bekannte Grauen der unterirdischen Kriegsführung wiederholen: In den Kellern Stalingrads gab es schwere Kämpfe, am Ende der Schlacht suchten zahlreiche verwundete, halb verhungerte deutsche Soldaten in diesen Räumen Schutz. Während der 1943 und 1944 erfolgenden Warschauer Aufstände gegen die Nazis versteckten sich die Widerstandskämpfer in der Kanalisation und konnten sich so erstaunlich lange behaupten. Die ausgedehnten Felshöhlen Odessas sollten sowjetischen Partisanen als Stützpunkte während ihres Kampfes gegen die Nazis dienen. Und japanische Soldaten verbargen sich während der Kämpfe im Pazifik oft in Höhlensystemen vor angreifenden amerikanischen Truppen. Diese Verstecke konnten nur mit großem Aufwand „gesäubert “werden. Im Osten Europas diente der Untergrund auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch als Versteck für Guerilla-Einheiten: In den späten vierziger und frühen fünfziger Jahren gab es in den baltischen Staaten, Teilen Polens, der Ukraine und in Weißrussland noch einen Guerilla-Krieg gegen die Sowjetherrschaft. In den ausgedehnten Wäldern dieser Länder versteckten sich die Partisanen oft in unterirdischen Bunkern.
Während des Zweiten Weltkrieges wurde zum ersten Mal systematisch eine Waffe verwendet, die in den mit angespitzten Pfählen gespickten Fallgruben der Antike bereits frühe Vorläufer hatte und in einer modernen Form schon während des amerikanischen Bürgerkrieges und des Ersten Weltkrieges eingesetzt wurde. Sie sollte den Untergrund zu einem Ort des besonderen Schreckens machen: die Tretmine. Diese Sprengkörper wurden millionenfach vergraben, um gegnerischen Truppen Territorium zu verweigern. Das Betreten verminter Gebiete war mit einem großen Risiko verbunden. Die Sprengkörper explodierten, sobald man auf die Erde über ihnen trat. Ihre Wirkung war tödlich oder hatte schwere Verletzungen zur Folge. Besonders heimtückisch ist an diesen Waffen, dass sie über Jahrzehnte hinweg noch „scharf“ bleiben. Zusammen mit den zahllosen Blindgängern des Zweiten Weltkrieges – etwa 10 Prozent der damals verwendeten Bomben und Granaten zündeten nicht – stellen sie an vielen Orten immer noch eine Gefahr dar. Jedes Jahr müssen Millionen Euro für die Räumung dieser Kampfmittel aufgewendet werden.
Zur Untergrund-Geschichte des Zweiten Weltkrieges gehören auch die Tunnel, die gegraben wurden, um Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen die Flucht aus den Lagern zu ermöglichen. Das berühmteste Beispiel ist dabei die legendäre „Great Escape“ von 76 alliierten Kriegsgefangenen aus dem „Stalag Luft III“ im Jahre 1944, die durch eine Verfilmung weltberühmt wurde.
Abschließend soll hier noch auf ein besonderes Kapitel der unterirdischen Kriegsführung verwiesen werden: Während des Krieges in Vietnam sahen sich die Guerilla-Verbände des Vietcongs mit der überwältigenden militärischen Übermacht der Amerikaner konfrontiert. Die immense „firepower“ des Gegners erforderte besondere Maßnahmen, zu denen auch ein riesiges Netzwerk an Tunneln gehörte. Diese Anlagen waren zum Teil bereits während des Kampfes gegen die Franzosen angelegt worden. In den Tunneln, die auch größere Hohlräume für Kommandozentralen, Waffenlager und sogar Hospitäler enthielten, fand die Guerilla Schutz vor amerikanischen Truppen und den Bombenangriffen. In mindestens einem Fall lag ein Versteck direkt unter einem amerikanischen Stützpunkt. Die Amerikaner versuchten vergeblich, die gut getarnten und mit Fallen versehenen Tunnel zu zerstören. Wenn die Tunnel eine entscheidende Bedeutung für den Vietcong haben sollten, so zeigten sich nach Ende des Krieges auch die Schattenseiten des Systems: Viele „Tunnel-Veteranen“ trugen bleibende körperliche und psychische Schäden davon. So konnte zum Beispiel die Dunkelheit der Tunnel zu Augenschäden führen. Ein anderes asiatisches „Tunnelphänomen“ sind die von Nordkorea gebauten Tunnel, die unter der entmilitarisierten Grenzzone zwischen den beiden koreanischen Staaten Richtung Südkorea führten. 1974 wurde der erste von vier Tunneln dieser Art entdeckt. Im Falle eines weiteren Krieges hätte der Norden so eine große Anzahl Soldaten in den Süden schleusen können.