Die Stadt Stettin (Szczecin) liegt im Nordwestens Polens und ist von Berlin aus mit dem Zug in etwa...
Der Umgang mit NS-Bunkern sorgte in Berlin immer wieder für politischen Zündstoff.
Rauch tritt aus dem Boden. Ein unangenehmer Geruch erfüllt die Luft und legt sich klebrig auf die Lunge. Nach einiger Zeit bekommt man davon Kopfschmerzen. Die Landschaft ist karg, nur ein paar verkrüppelte Bäume stehen herum. Sie sind von einer schwefligen Kruste überzogen. Tiere gibt es nicht. Hier und da muss man aufpassen: Es gibt Löcher im Boden. An anderen Stellen befindet sich eine Art Treibsand, den man unbedingt vermeiden sollte. Außerdem darf man nicht zu lange an einer bestimmten Stelle verweilen – die Sohlen der Schuhe verformen sich nach einiger Zeit. Also weiter. In der Nähe befindet sich eine Straße. Sie ist an mehreren Stellen von Gestrüpp überwuchert. Wenn man näher tritt, sieht man, dass der Asphalt zahllose große Risse aufweist. Hier fährt nichts mehr! Nach einiger Zeit erreicht man den Ort. Eine kleine Geisterstadt, umweht von Rauchschwaden. Man denkt, dass die Menschen, die einst hier lebten, noch Glück hatten. Sie konnten es sich leisten, diesen Ort zu verlassen. Die Regierung hat ihnen geholfen. Anderswo müssen die Menschen in diesen Dämpfen verweilen und werden langsam vergiftet … ein Cocktail aus Kohlenmonoxid und anderen Gasen, aus Rauchpartikeln, Schwefel und Schwermetallen. Eine stille Umweltkatastrophe.
Die oben beschriebene Gegend liegt im US-Staat Pennsylvania. Sie könnte sich aber auch in China, der Mongolei, Indien, Russland, der Ukraine oder in Südafrika befinden. Alle diese Staaten sind von so genannten Flözbränden betroffen, die sich durch unterirdische Kohleadern fressen. Diese Feuer entstehen oft in ehemaligen Bergwerken. Manchmal schwelen sie in großer Tiefe vor sich hin, manchmal lodern sie direkt unter der Oberfläche. Da es sich bei Flözbränden um ein Phänomen handelt, das regional begrenzt ist und - mit Ausnahme der USA - meistens unterentwickelte Länder betrifft, hat die Weltöffentlichkeit es bis vor kurzem kaum wahrgenommen. Erst innerhalb der letzten Jahre ist man insofern darauf aufmerksam geworden, als dass bei Flözbränden große Mengen des „Treibhausgases“ Kohlendioxid freigesetzt werden. Das Problem betrifft also nicht mehr nur die Menschen vor Ort!
Wie entstehen diese unterirdischen Brände? Unter bestimmten Umständen kann Kohle sich von alleine entzünden. Ob und unter welchen Umständen das geschieht, hängt hauptsächlich von der Beschaffenheit der Kohle, ihrer Partikelgröße und der Luftzirkulation ab. Auch die Art und Weise, wie sie gelagert wird, spielt eine Rolle. Bei Temperaturen von 40 bis 60 Grad kann sich z.B. Braunkohle bereits entzünden. Den möglicherweise beunruhigten Lesern sei an dieser Stelle aber gesagt, dass die Briketts, die in Ihrem Keller liegen, zumeist wirklich nur dann brennen, wenn man sie in den Ofen steckt!
Darüber hinaus werden viele Flözbrände durch Fahrlässigkeit verursacht. Das oft erwähnte Feuer, das zur Evakuierung des amerikanischen Dorfes Centralia führte, ist z.B. dadurch entstanden, dass Müll, der dort in einer stillgelegten Kohlegrube deponiert wurde, sich irgendwann entzündete. Möglicherweise enthielt er heiße Asche. Der Brand wurde zunächst nicht bemerkt und dann nicht ernst genommen – bis es zu spät war! Anderswo wurden Flözbrände durch Zigarettenkippen oder nachlässigen Umgang mit technischen Geräten verursacht. Auch unfachmännische Sprengungen können Brände auslösen. In den meisten westlichen Ländern haben rigide Sicherheitsvorschriften mittlerweile dazu geführt, dass Flözbrände kaum noch auftreten.
Wenn ein Feuer sich erst einmal festgefressen und ausgebreitet hat, kann es nur mit immensem Aufwand gelöscht werden. Das Feuer brennt zwar langsam, aber mit großer Intensität. Und: Die Brände halten sich Jahrzehnte, in einzelnen Fällen sogar Jahrhunderte lang! Die Technik zum Löschen solcher Feuer steckt noch in den Kinderschuhen. Selbst in den USA steht man diesem Phänomen recht hilflos gegenüber. Lediglich China, das riesige Probleme mit zahllosen Flözbränden hat, konnte ein einigermaßen effizientes Verfahren entwickeln. Dabei wird zuerst die Tiefe und Größe des Brandherdes festgestellt. Danach müssen, oft über Jahre hinweg, riesige Mengen Wasser bzw. Schlamm auf das Feuer gepumpt werden. Ist der Brand schließlich gelöscht, wird das Areal mit undurchlässigen Erdschichten abgedeckt und begrünt. Erst dann kann man sich halbwegs sicher sein, dass die Kohle nicht erneut Feuer fängt.
Was bedeuten Flözbrände für die Bewohner der betroffenen Regionen? Die durch das Feuer entstehende Hitze kann so groß sein, dass viele Gebäude akut brandgefährdet sind. In ländlichen Regionen drohen zudem auch Waldbrände. Bei diesen Temperaturen sind Ackerbau und Viehhaltung unmöglich. Pflanzen und Tiere können auf dem heißen, vergifteten Boden nicht leben. Außerdem wird das Grundwasser durch die Brände verseucht. Straßen wiederum können nicht mehr befahren werden, da der Asphalt sich verformt und reißt. Auch Bahngleise können in Mitleidenschaft gezogen werden. Ebenso müssen Wasser- und Gasrohre, Stromleitungen und Pipelines oft stillgelegt werden.
Durch das Verbrennen der Flöze entstehen zudem Hohlräume und geologisch instabile Schichten, die zu Erdeinbrüchen führen können – plötzlich klaffen Löcher in der Landschaft! Solche Vorgänge sind vor allem dann gefährlich, wenn sich über den Flözbränden Siedlungen befinden.
Diese Probleme sind aber noch relativ harmlos im Vergleich zu den größten beiden Gefahren, die von Flözbränden ausgehen: Rauch und Gase. Wenn die Feuer direkt unter der Oberfläche brennen, kann der Rauch die Gesundheit der Anwohner massiv beeinträchtigen. Im Umfeld der indischen Stadt Jharia leiden z.B. 65% der Bevölkerung an durch Flözbrände verursachten chronischen Lungenkrankheiten. Bei den Gasen wiederum kann das entstehende Kohlenmonoxid unter Umständen sogar tödlich sein. Wer es einatmet, bemerkt nämlich keine Vergiftungserscheinungen. Dies kann z.B. dazu führen, dass schlafende Menschen friedlich „entschlummern“!
Die Auswirkungen vor Ort sind aber nur eine Seite der Flözbrände. Wenn man die durch Flözbrände verursachten Schäden hochrechnet, stellt sich schnell heraus, dass es sich um ein globales Problem handelt. Zwar gibt es keine verlässliche Gesamtzahl aller Flözbrände, doch existieren für einige Länder halbwegs zuverlässige Angaben: In den USA soll es etwa 150 Flözbrände geben, in Russland circa 75. In Indien wurden alleine bei der erwähnten Stadt Jharia 70 Feuer gezählt. Der Spitzenreiter aber ist China. Hier spricht man nicht mehr von einzelnen Bränden, sondern von 100 großen Brandgebieten, die eine Vielzahl kleinerer Brandzonen enthalten.
Experten gehen davon aus, dass jährlich etwa 20 bis 30 Millionen Tonnen Kohle durch Flözbrände vernichtet werden. Zusätzlich wird das Zehnfache dieser Menge dadurch unbrauchbar gemacht, dass die umliegende Kohle nach den Bränden nicht mehr abgebaut werden kann. Flözbrände stellen somit eine immense Vernichtung von Energieträgern dar. Gleichzeitig werden riesige Mengen Kohlendioxid und anderer Gase freigesetzt. Experten schätzen, dass allein die chinesischen Flözbrände für etwa 2 bis 3 Prozent der globalen fossilen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich sind. Das entspricht etwa dem Ausstoß aller Straßenfahrzeuge in den USA.
Die Problematik der Flözbrände wird in westlichen Ländern oft ignoriert. Aufgrund der strengen Sicherheitsvorkehrungen sind Flözbrände dort ja fast „ausgestorben“ - sie treffen hauptsächlich ärmere Länder, die sich solche Standards nicht leisten können. Diese Staaten wiederum verfügen auch nicht über die Ressourcen, um die Feuer zu löschen. Und sie können die Bewohner der bedrohten Regionen nicht evakuieren. Die Flözbrände gliedern sich somit nahtlos in die Reihe der Heimsuchungen ein, die die Dritte Welt mit voller Wucht treffen: Malaria, AIDS, Tuberkulose, Dürren, Flutkatastrophen, Landminen usw …
In unserer globalisierten Welt können wir solche Probleme aber nicht mehr ignorieren – wenn schon nicht aus moralischen Gründen, dann zumindest aus der Einsicht heraus, dass die Auswirkungen der globalen Erwärmung alle Länder betreffen werden. Deswegen ist es unbedingt notwendig, der Flözbrände Herr zu werden und so den Ausstoß von Treibhausgasen zu reduzieren. Die UNO, die Regierungen der Industriestaaten sowie die im Umweltschutz und in der Entwicklungshilfe aktiven NGOs müssen in enger Zusammenarbeit folgende Maßnahmen ergreifen:
1. Eine zentrale Erfassung aller Flozbrände und der Aufbau eines globalen, satellitengestützen Überwachungssystems.
2. Die Erarbeitung eines allgemeinen, bindenden Sicherheitsstandards, der als Richtlinie zur Verhinderung von Flözbränden dienen soll.
3. Die Aufstellung mobiler Teams, die weltweit das Personal der Kohlengruben mit der Problematik vertraut machen und Präventivmaßnahmen erläutern. Diese Teams könnten auch die Aufgabe erfüllen, die Einhaltung des neuen Sicherheitsstandards zu kontrollieren.
4. Die Erforschung kostengünstiger Methoden zur Löschung von Flözbränden.
5. Die Bereitstellung der notwendigen Ressourcen zur Bekämpfung von Flözbränden in ärmeren Ländern.
Wird es in absehbarer Zeit zu einem gemeinsamen, internationalen Handeln gegen Flözbrände kommen? Da momentan auch gut informierte Bürger mit dem Begriff „Flözbrände“ oft nichts anfangen können, fehlt das nötige öffentliche Bewusstsein, das sich in politischen Druck umwandeln ließe. Die wirtschaftlichen, sozialen und demographischen Probleme der westlichen Staaten sowie die Dominanz der Terrorismus-Thematik haben den Umweltschutz politisch in den Hintergrund gedrängt. Andererseits haben der explodierende Ölpreis, die verheerenden Auswirkungen der Flut in New Orleans und die „Live Eight“-Konzerte bewiesen, dass sich die Themen Energieverbrauch, Umweltschutz und Dritte Welt nicht einfach vom Tisch wischen lassen. Für den Anfang wäre zumindest wünschenswert, dass die Medien sich des Themas „Flözbrände“ einmal annehmen würden!
Copyright Niko Rollmann